Wohnen ohne Grenzen | von Dr. Marianne Koch


Wie wollen Sie leben, wenn Sie einmal 70, 75 oder 80 Jahre alt sind? Noch vor kurzem hätte man diese Frage als zynisch empfunden – wer wurde schon 80 Jahre alt?
Und wenn: Von „wollen“ wäre dann wohl kaum mehr die Rede gewesen, eher von „hinnehmen müssen“ und „sich bescheiden“. Mit dem Älterwerden verband man eben nur Begriffe wie Gebrechlichkeit, Verlust der Selbstständigkeit, Endstation Altersheim.

Inzwischen haben sich erstaunliche Dinge getan. Das, was Demographen als die „Vergreisung der Gesellschaft“ bejammern und was Rentenversicherern den Schlaf raubt, hat eine wunderbare Kehrseite: Ja, wir werden älter – und es geht uns dabei besser denn je!

Wenn wir über die Zeit nachdenken, die als „Dritte Lebensphase“ vor uns liegt, dann sollten wir uns allerdings auch klar machen, dass wir irgendwann doch auf Hilfe angewiesen sein werden. Eine der wichtigsten Überlegungen sollte deshalb der Frage gelten: Wie und wo werde ich wohnen, wenn ich nicht mehr so beweglich bin, wenn das Herz oder die Knie vielleicht keine Treppen mehr schaffen. „Was soll das?“, meinen Sie jetzt sicher. „Aus meinen lieben, schönen, praktischen, vertrauten vier Wänden kriegen mich keine zehn Pferde raus!“ Keine Angst, niemand will Sie vertreiben. Im Gegenteil, es geht ja gerade um die Chance, im Alter, auch mit Behinderungen, in der eigenen Wohnung bleiben zu können.

„Wohnungen sollten schon von vornherein barrierefrei gebaut werden müssen. Dann könnten die meisten Menschen auch im hohen Alter in ihrer gewohnten Umgebung bleiben.“

Sozialforscher, Architeckten und Pflegeexperten haben längst über alternative Möglichkeiten nachgedacht, mit denen man betagte Menschen einen Umzug ins Altenheim ersparen kann. Nicht nur, weil Altenheime einen so traurigen Ruf haben (leider gibt es zu selten liebevoll geführte, die die Würde der Behwohner achten), sondern weil es unvergleichlich viel schöner ist, in der vertrauten Umgebung zu bleiben, wo Jung und Alt sich mischt und feste persönliche Beziehungen entstanden sind.

Neben Modellen wie Wohngemeinschaften oder Häusern, in denen man zwar selbstständig, aber „betreut“ leben kann, versucht man deshalb vor allem, die ursprüngliche Wohnungen so umzugestalten, dass sie auch von Behinderten genutzt werden können. Meistens sind dafür keine großen Veränderungen nötig. Es müssen lediglich die „Barrieren“ beseitigt, also Türen verbreitet, Badezimmer mit Haltergriffen versehen und Stolperfallen entfernt werden. In vielen fällen gibt es sogar Zuschüsse für die Umbauten.

Zehn Millionen 65- bis 80-Jährige leben heute unter uns, im Jahr 00 werden es 15 Millionen sein. Das, was Experten deshalb fordern und was wir alle mit Nachdruck unterstützen sollten, ist eine allgemeine Veränderung der Bauvorschriften. Gäbe es nämlich grundsätzliche Auflagen zum barrierefreien Bauen, dann könnten die meisten Mitbürger in Zukunft auch im hohen Alter in ihrer gewohnten Umgebung bleiben, von Angehörigen oder ambulaten Pflegediensten versorgt, sobald sie Hilfe brauchen. Und dieses „Wohnen ohne Grenzen“ wäre eine menschliche  und obendrein kostengünstige Lösung.
Übrigens: Auskünfte darüber gibt es bei den Wohnberatungsstellen der Städte, Gemeinden und Krankenkassen.

Quelle: Apotheken Umschau, Wort & Bild-Verlag